Ihr Blick war voller wehmütiger Fragen. Er wusste nicht, wie er sie beantworten sollte, ohne ihr wehzutun. Er spürte, dass sie die Wahrheit an seinem Gesicht ablesen konnte, auch ohne Worte. "Ich kann nicht mehr" - sagte er und verdeckte sein Gesicht mit den Händen, um nicht länger in ihren Augen blicken zu müssen. Er fühlte sich nicht wohl dabei, doch er musste damit ausrücken. Er ertrug die Situation nicht länger, er fand in der Beziehung mit ihr nicht das, wonach er ursprünglich suchte. War er damals, vor vier Jahren voreilig gewesen? Machte ihm das Alleinsein so sehr zu schaffen, dass er sich von ihrer positiven Ausstrahlung einfach blenden ließ, obwohl er im Grunde ganz genau wusste, welche Interessen und Gemeinsamkeiten für ihn wichtig waren? Er erinnerte sich an die Zeit zurück, als sie sich kennenlernten. Sie machte kein Hehl daraus, dass sie mit einigen seinen Interessen nicht mithalten konnte und auch nicht wollte, und sie ließe sich von niemandem verbiegen. Doch er wollte sie unbedingt näher kennenlernen und es mit ihr versuchen, weil er sich vom ersten Moment an zu ihr hingezogen fühlte. Trotz der Unterschiede und Gegensätze. Vermutlich gerade deshalb. Er war sich sicher, in ihr die Richtige gefunden zu haben und daran hielt er fest. Doch irgendwann musste er sich selbst eingestehen, dass er sie nicht für alles, was ihn interessierte, begeistern konnte - sie machte, was ihr besser gefiel. Sie war unbeugsam, teilweise rücksichtslos, wie er fand. Mit der Zeit konzentrierte er sich immer mehr auf das, was er von ihr nicht bekam, all das, was nicht so funktioniert hatte, wie es seiner Ansicht nach hätte funktionieren sollen. Was verband sie eigentlich miteinander? Die gemeinsamen Reisen, die sie unternahmen? Kinder hatten sie nicht - mit ihren getrennten Vergangenheiten hatten sie bereits abgeschlossen. Die Beziehung sollte ein neuer Lebensabschnitt sein, für beide.
Auch ihre Leichtfüßigkeit und Planlosigkeit gingen ihm gegen den Strich. Man braucht doch Sicherheit im Leben! Man muss sich doch Gedanken wegen seiner Zukunft machen, sich absichern! Doch er konnte sie nicht dazu bewegen, so zu denken, wie er es tat. Ihre Einstellung: "Lebe heute so, als gäbe es kein Morgen" war für ihn nicht greifbar, schier leichtsinnig. Er könnte so nicht leben. Er musste sich sicher fühlen, er brauchte einen festen Boden unter seinen Füßen; er brauchte die Kontrolle über sein eigenes Leben. Sie schwebte in der Luft - ohne Halt, auf Teufel komm raus. Ihr maßloser Optimismus nervte und belastete ihn innerlich. Er fühlte sich dem nicht gewachsen und fand es anstrengend. Die nicht Beachtung der Sicherheit machte ihm Angst. Er fühlte sich nur in geordneten Bahnen wohl, wo er alles seiner Kontrolle und seinen Berechnungen unterlag. Das war sein Begriff von Sicherheit. Wissen, wie alles zu sein hat und alles dafür tun, dass es auch so bleibt. Damit keine bösen Überraschungen den Weg kreuzen und einen aus der Bahn werfen. Für sie wäre es undenkbar so zu leben, die ständige Kontrolle hätte ihr zu viel Kraft und Anstrengung gekostet. Sie glaubte und vertraute. Wem? Einer höheren Macht, die ihrer Überzeugung nach sowieso alles zu lenken schien. Sie wollte nichts mehr in ihrem Leben erzwingen und auch nicht mehr gegen den Strom schwimmen. Das tat sie früher, lange Jahre, und es machte sie nicht glücklich. Sie hatte aus ihren Erfahrungen gelernt und wollte sie nicht wiederholen. Sie wollte die Schwere nicht mehr spüren, sie wollte nicht mehr kämpfen. Sie dürstete nach der Leichtigkeit des Seins. Auch wenn sie immer stärker spürte, dass sie dies mit ihm an ihrer Seite offenbar nicht verwirklichen konnte. Die Welt der Sicherheit, nach der er strebte, engte sie ein, band sie zu stark am Boden fest, unfähig, sich in die Lüfte zu erheben, die Leichtigkeit zu spüren. Wozu der Kampf, die Kontrolle, das Streben nach Sicherheit, wenn morgen schon alles vorbei sein kann ...? Nein, das war nicht ihre Welt. Sie musste das Leben spüren, und für all die Wunder offen sein, die ihr Lebendigkeit verliehen, ihre Hoffnungen, ihren Optimismus nährten. Er fühlte sich mit ihrer Einstellung überfordert, er wusste, dass er in dieser Hinsicht mit ihr nicht mithalten konnte. Für ihn schien sie alles besser zu wissen. Doch im Grunde nervte es ihn, dass er sie von ihren Überzeugungen nicht abbringen und sie nicht beeinflussen konnte. Dass sie nicht auf ihn hörte. Dass sie so unbeugsam war und dass sie offensichtlich keine Angst vor der Zukunft hatte. Er kam nicht dagegen an; sie wusste über das, was für sie wichtig war, besser Bescheid und das ließ sie sich von niemandem nehmen. Ja - sie kannte keine Angst und sie ließ ihr eisernes Vertrauen im Leben von niemandem zunichtemachen. Sie war einfach unbeugsam. © Schreibgefühl Comments are closed.
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Es ist entscheidend, in allen Dingen des Lebens das Positive zu betrachten und den Blick auf das Schöne zu richten.
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February 2014
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